Sara war wieder mal spät dran. Sie hatte verschlafen und riss die Tür zum Klassenzimmer auf, als Frau Stern, die Deutschlehrerin, gerade Arbeitsblätter für die Klausur verteilte. Sara murmelte eine Entschuldigung und setzte sich. Sie stöhnte, als sie das Blatt mit dem Aufgaben durchlas. Die Arbeit hatte sie völlig vergessen und das Buch, um das es ging, kannte sie kaum. „Nathan der Weise – Intention und Analyse“ war das Thema. Sara schaute zu den anderen, die alle eifrig zu schreiben begonnen hatten. Sie wusste, dass es in dem Buch um die verschiedenen Religionen ging und deren gemeinsame Wurzeln. Sara fiel dazu ihre eigene Geschichte ein, ihr Vater war Perser, die Mutter eine französische Jüdin. Zuhause feierten sie alle Feste, die es so gab, das muslimische Opferfest, christliches Weihnachten, Jom Kippur und Sukkot, außerdem Tu Bischevaat, das jüdische Neujahrsfest. Manchmal hatte sie das Gefühl, das ganze Leben bestand nur aus Festen. Und eigentlich war vor lauter Feiern Gott darüber verloren gegangen. Sara beschloss genau darüber zu schreiben – immer noch besser, als ein leeres Blatt abzugeben, dachte sie und in ihr breitete sich eine Ruhe aus, wie sie es schon lange nicht mehr gespürt hatte.
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